Eine Stolperschwelle für Wermsdorf

Aus der Pressemitteilung zur Stolperschwelle des Erich-Zeigner-Haus e.V.:

 

Eine Stolperschwelle für die ehemalige Landesheil- und Pfleganstalt Hubertusburg – Oschatzer Schülerinnen und Schüler gedenken den Opfern der NS-„Euthanasie“

 

Am 07. Mai 2024 wird in Wermsdorf die Stolperschwelle für die ehemalige Landesheil- und Pflegeanstalt Hubertusburg verlegt. Die Verlegung wird um 13:30 Uhr vor der Rezeption des Fachkrankenhauses Hubertusburg stattfinden. Mit der Verlegung der Stolperschwelle möchten die Schülerinnen und Schüler an die Verbrechen der NS-„Euthansie“ erinnern und den Opfern gedenken.

 

Ähnlich einem Stolperstein fertigt der Künstler Gunter Demnig die Stolperschwellen an, um sie ebenerdig in den Gehweg einzulassen. Eine Messingplatte auf der Oberseite trägt eine Gravur, welche an die Massenverbrechen erinnert. Auch Stolperschwellen verursachen im übertragenen Sinne ein gedankliches Stolpern der Lesenden.

 

Um dieses Vorhaben zu ermöglichen, recherchierten 15 Schülerinnen und Schüler der 10. bis 12. Klasse des Thomas-Mann-Gymnasiums Oschatz in Kooperation mit dem Erich-Zeigner-Haus e.V. Leipzig ein Jahr lang zu den NS-„Euthanasie“-Verbrechen in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Hubertusburg.

 

Mit Beginn der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden in der Landesanstalt Hubertusburg regelmäßig Menschen zwangssterilisiert. Zudem gab es finanzielle Kürzungen, was eine angemessene Betreuung und Pflege unmöglich machte und eine ausreichende Ernährung nicht gewährleistet werden konnte. Durch diese mangelnde Versorgung starben mindestens 835 Menschen. 1940 wurden mindestens 1.706 Menschen in andere Anstalten wie u.a. Waldheim und Großschweidnitz “verlegt”. Diese fungierten häufig als Zwischenstationen für die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein und Brandenburg/Havel, in der letztendlich hunderte Patientinnen und Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Hubertusburg ermordet wurden. Das Vorgehen des NS-Regimes ist auf die 1939 beschlossene „Aktion-T4“ zurückzuführen, welche die „Tötung lebensunwerten Lebens“ vorsah.

 

Annabell Kurek und Alina Orisch, Schülerinnen am Thomas-Mann-Gymnasium Oschatz, erklären dazu: „Es ist schockierend, durch die Hubertusburg zu laufen, mit dem Wissen, was dort geschehen ist. Wir sind dem Projekt sehr dankbar, dass es uns aufgeklärt hat. Ohne das Projekt hätten wir wahrscheinlich nie erfahren, was für grausame Dinge dort passiert sind. Es ist eigentlich traurig, dass es für die Schicksale der ehemaligen Patientinnen und Patienten der Hubertusburg bisher kaum einen Ort des öffentlichen Gedenkens gibt. Das wollen wir nun mit der Verlegung der Stolperschwelle ändern.“

 

Während der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Hubertusburg war es den Schülerinnen und Schülern möglich, mit originalen Dokumenten zu arbeiten und durch Exkursionen in die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein und das Schloss Hubertusburg einen tieferen Einblick in die Schicksale der Opfer und den Ablauf der NS-„Euthanasie“ zu erlangen.

„Es ist von großer Bedeutung, dass die Jugendlichen im Rahmen von historisch-politischen Projekten nicht nur ihr Geschichtswissen erweitern und für die Verbrechen in der NS-Zeit sensibilisiert werden, sondern auch durch das Verlegen der Stolperschwelle aktiv ein Zeichen der Erinnerung und des Mahnens für die Zukunft setzen.“ erklärt Henry Lewkowitz, Geschäftsführer des Erich-Zeigner-Haus e.V.

 

„Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. Gern leisten wir einen Beitrag dazu, um an dieser Stelle den Opfern der NS-Euthanasie zu gedenken“, bekräftigt Dr. Iris Minde, Geschäftsführerin des Fachkrankenhauses Hubertusburg.

Die Verlegung der Stolperschwelle wird von einem von den Schüler:innen eigens ausgerichteten kulturellen Rahmenprogramm sowie von einigen Redebeiträgen unterstützt. Interessierte Bürgerinnen und Bürger sind herzlich eingeladen an der Veranstaltung teilzunehmen.

 

Das historisch-politische Projekt wurde 2023 durch die Partnerschaft für Demokratie Nordsachsen gefördert.